Es fühlt sich seltsam an, so einen Blog zu betreiben, in dem ich (im Wesentlichen) über mein Schreiben und Veröffentlichen berichte, um dann in den entscheidenden Momenten keine Zeit dafür zu haben. Zum Beispiel dann, wenn es so richtig ernst wird mit der Veröffentlichung. Kluge Menschen sagen an solchen Stellen, dass alles eine Frage des Managements und damit der Priorisierung ist, und sie haben Recht. Trotzdem hat der Tag nur 24 Stunden und er darf und soll nicht nur von den Büchern gefüllt werden. Abseits davon fordert auch das Leben etwas ein und müsste es sogar viel mehr tun.

Ich war den letzten Monaten nur eine Hand voll mal beim Sport und das ist bei mir immer ein sehr schlechtes Zeichen. Immer, wenn ich keinen Sport machen kann, geht es mir nicht gut. Entweder als Grund oder als Folge. Ich kann keinen Sport machen, weil es mir schlecht geht und dann geht es mir schlecht, weil ich keinen Sport machen kann. Eine Abwärtsspirale mit einem der beiden Gründe als möglichen Ausgangspunkt. Es gab Zeiten, in denen ich Wochen lang nicht aus diesem Dilemma herausgekommen bin und die Arbeit alles weiter zugespitzt hat, aber die Zeiten sind eigentlich vorbei.

Mein neuer Schreibplatz mit Blick auf den Eingang zum Schlosspark.

Mein neuer Schreibplatz mit Blick auf den Eingang zum Schlosspark.

Es geht mir also aktuell nicht ganz gut. Auf der anderen Seite geht es mir ziemlich gut. Alles ist so, wie es sein soll. Neben allen privaten guten Dingen wie der neuen Schloss-Wohnung mache ich das, was ich machen will. Bei mir leidet auch immer der Körper zuerst und dann die Arbeit, alles geht voran. Ich konnte nie die Füße stillhalten und habe eine intensive Geschichte mit Migräne und anderen Sachen. Ich habe gelernt, das so gut es geht zu neutralisieren. Zudem habe ich weder ein Problem mit Motivation noch mit Effizienz und Schnelligkeit. Im Moment besteht dazu sowieso nicht der geringste Anlass. Um obiges Dilemma zu durchbrechen, fehlt mir schlicht die Zeit. Es ist kein Effizienz- sondern ein »Berg-hoch-laufen«-Problem. Trotzdem oder gerade deswegen muss ich an meinen Priorisierungen arbeiten. Zeit kommt auch in der Formel für Geschwindigkeit vor. Geschwindigkeit ist Zeit pro Strecke. Es war ein nicht unbeträchtlicher Stress in den letzten Wochen, die Geschwindigkeit war zu hoch, die Fliehkräfte haben ganz schön an mir genagt. Wahrscheinlich sollte ich an meinem Streckenmanagement und damit ganz elementar an meiner Projektorganisation arbeiten. Ganz sicher sogar.

Das neue und finale Cover

Aber das ist die Zukunft. In der Vergangenheit liegt eine Titeländerung. Wieder eine. Ich habe das Buch von »Todesgruß vom Meisterkiller« in »Nächte der Toten« umbenannt. Offensichtlich war der alte Titel nicht gut gewählt, was uns zurück zum Thema Optimierung führt. Hätte ich den gleichen Fehler bei weniger Geschwindigkeit gemacht? Ganz sicher. Hätte ich mehr Spaß gehabt, wenn ich bei der Fehlerkorrektur die Geschwindigkeit gedrosselt hätte? Ganz sicher nicht.

Geschwindigkeit und Projektorganisation bleiben komplexe Themen, vor allem, wenn man so viel alleine mit den Sachen ist und so viele Entscheidungen treffen muss. Und auch die Entscheidung, wo etwas zu entscheiden ist, ist eine Entscheidung. Die Frage, wie viel Zeit und Genauigkeit dabei bereitzuhalten ist, ist wieder eine. Und die Abwägung, welche Dinge einen in die Lage versetzen, überhaupt die wichtigen Felder zu sehen, in denen Entscheidungen lauern könnten, ist eine weitere.

Man kann an vielen Stellen die vermeintlich richtigen Entscheidungen fällen, obwohl man sich längst verrannt hat. Entscheidungen sind immer nur relativ gut. Es kommt immer auf die Alternativen an, die man sich selbst vor Augen führen kann. Unbekannte Szenarien können nicht gewählt und angepeilt werden. Am Ende des Tages ist alles eine Frage von Distanz und Horizontbemessung. Man kann in dem selbst gesteckten Labyrinth die richtige Entscheidung treffen, wobei vielleicht die relativ beste Entscheidung die gewesen wäre, das Portfolio der Entscheidungsmöglichkeiten zu erweitern und das Labyrinth einfach zu zerschlagen.

Das führt uns zum Thema Pausen zurück, die aber in ausreichender Form auch schwierig zu nehmen sind, wenn man am Ende des Tages abgeliefert haben muss. Und es ist ein Fakt, dass ich mich in der Rolle, die ich einnehme, in viele Rollen aufspalten muss und in ihnen abliefern muss. Ich schreibe, plane, mache Marketing und PR, bin der Aufbauarbeiter und Präsident meines eigenen „Fanclubs“. Innerhalb der Rollen warten viele Entscheidungen und oftmals überfordert mich allein die Entscheidung, wann die Rolle überhaupt zu wechseln ist und wann es wieder zurück gehen muss.

Das klingt schwarz und negativ. Es passt gut und passt so gar nicht. Ich habe ein Buch herausgebracht. Es war sogar in der Nähe der Top 300 und die Reise ist noch nicht vorbei. Ich habe wider allen anderen Ratschläge ein Krisenmanagement an den Tag gelegt, das sich gewaschen hatte. Es geht nur zum Teil um die Sachen an sich, sondern darum wie man sie sieht und einfärbt. Der beste Trick ist ein besserer Fokus aufs Wesentliche. Wesentlich ist, was gut läuft, weil man sich in diese Richtung entwickeln möchte. Daran werde ich mich messen lassen – und auch in dieser Hinsicht meine Prioritäten überdenken. Und ganz sicher wieder Räume einrichten, an denen mich Prioritäten mal kreuzweise können.

Szenenplan von Metropolis III

Szenenplan von Metropolis III

Derweil schreibe ich Metropolis III und freue mich unglaublich darüber, wieder schreiben zu können. Es hat mir so gefehlt, dass es weh tat. Die Zeit reicht nicht für zu viel Euphorie. Die Inseln sind zu klein für das, was ich zu sagen habe, aber das ist abermals die falsche Schleife. Ich werde jede Minute genießen. Jetzt fährt die S-Bahn in den Bahnhof ein und ich wechsle wieder die Rollen. Jetzt zu der, die meine Miete zahlt.

***

Diesen Text habe ich gestern auf dem Weg zur Arbeit geschrieben. In der S-Bahn von Spindlersfeld bis Hermannstraße. Auf einer dieser Strecken, auf denen ich den Rechner aufklappe und Sachen „hinbekomme“. Kapitel schreibe, Marketing-Aufgaben sortiere oder solche Artikel schreibe. Ich hatte danach keine Zeit, ihn zu posten, aber er hat mich durch den Tag begleitet. Er hat mir vor Augen gehalten, dass es mir immer noch nicht gut genug gelingt, den Kopf in die Schranken zu weisen. Der Kopf rattert sich immer in so einige Labyrinthe und viele der Strategien sind im Laufe der Jahre wahrscheinlich auch deswegen von mir erdacht worden, um ihn davon abzuhalten, sich gegen mich zu wenden, was er allein dadurch immer tut. Ein weiterer Teufelskreis.

Ich war immer das leichteste und fairste Opfer meiner Gedanken. Noch immer wählen die Gedanken als Grundkulisse das schlimmstmögliche Szenarion und arbeiten sich mit ihren Analysen und Entscheidungen von dort aus ein bisschen hoch. Das kostet ungemein viel Kraft. Ein Arzt, zu dem ich wegen ganz anderer Sachen vor vielen Jahren gegangen bin, hat mir ganz schnell die nötigen Salben aufgeschrieben und sich dann meinem Kopf zugewandt. Dort hat er das eigentlich Problem gesichtet, obwohl ich nur vage Andeutungen gemacht habe. Er meinte, ich sei ein Auto, das mit 35 Litern fahre und das ich das nicht ewig durchhalten könne.

Herbstblick vom Balkon

Herbstblick vom Balkon

Zu sehen, wie wenig es mir trotz aller Einsichten gelungen ist, die Literzahl auf ein erträglicheres Maß zu drücken, hat eine gewisse tragische Komik. »Man kann eben nicht aus seiner Haut«, bin ich versucht zu sagen, aber auch das ist ein selbstgewähltes Raster. Man kann aus seiner Haut und diese Zeile zu schreiben hat mir ein Stück weit dabei geholfen. Auf den Kern heruntergebrochen ging es in dem Text oben um Schwierigkeiten und die hilflose Wahl von Entscheidungsalternativen. Dem Leiden an der Unmöglichkeit, sich selbst gut mit seinen Arbeits- und Zeitpaketen zu arrangieren und sie mit dem Leben zu harmonisieren. Das ist Blödsinn. Jeder macht Fehler, aber so vieles ist sehr gut gelaufen. Es war eine Herkules-Aufgabe und der Seitenschaden ist erstaunlich gering. Es gibt diese Unmöglichkeit in all diesen Gleichungen und ich bemühe sie immer wieder. Sie bezieht sich auf eine irreale oder im Nachhinein zusammengeklaubte Vorstellung vom eigenen Leistungshorizont. Von dem, was man theoretisch noch alles hätte machen und verbessern können. Auf das, was wir Perfektion nennen, ohne wirklich zu wissen, was das genau sein soll. Auf das, mit dem wir uns martern, weil wir so unruhig in uns sind.

Ergo: Die Benzinleitungen pumpen und pumpen und ein bisschen muss das so sein. Das Buch steht heute morgen auf Platz 417 der Gesamtcharts. Es besteht die Hoffnung, dass sich endlich eine Resonanz zeigt, aber auch das ist eigentlich egal. Wenigstens liegt es nur noch bedingt in meiner Hand. Resonanz erzeugt im Zweifel jede Handlung. Irgendwann, auf die eine oder andere Weise. Ich schiele auf die Charts, weil Zeit Geld ist und mehr Verkäufe mehr Zeit zum Schreiben bedeuten und eventuell einen Weg eröffnen, der weniger krude Entscheidungsdebatten zulässt.

Aber das ist wieder die Ratte im Labyrinth. Der Tim von heute morgen tritt auf den Balkon, guckt auf den Fluss und zerschlägt diesen engen Rahmen, der letztendlich die Angst ihm setzt. Dem folgend trenne ich nun die Internetleitungen wieder und wendet mich dem zu, was ich mit den vormaligen Gedanken erst zu erreichen suchte. Denn ich kann ja schreiben. Heute und jeden Tag. Ich habe so viel in das Projekt investiert, dass ich gerade meine Rechnungen nicht bezahlen kann, aber das macht nichts. Ich gehe weiter arbeiten und in drei Wochen sieht die Welt schon wieder anders aus. Und ich werde immer noch auf den Fluss schauen und wieder schreiben gehen. Schreiben kann man in der Wohnung auch, wenn man keine Miete zahlt. Jedenfalls, wenn man jemanden hat, der einen so stützt, wie es meine Freundin tut. An einem der Tiefpunkte, an dem ich mit blasser Gesichtsfarbe im Wintergarten saß und nicht im mindesten in der Lage war, den Fluss zu sehen, hat mir Randa gesagt, dass wir doch alles haben. Dass doch alles gut ist, egal, wie viel Erfolg ich mit meinem Sachen habe. Ich hatte ein „aber“ parat, aber es gibt keins. Die weibliche Weitsicht hat das erkannt, Männer brauchen ja immer etwas länger 😉

***

An dieser Stelle noch ein paar Dankesworte. Der Text suggeriert den glorreichen Gang des Einzelkämpfers und das ist eine weitere Verzerrung. Ich hatte ganz viel Hilfe, ohne sie hätte ich nichts geschafft. Dank geht zuvorderst an Randa, dafür dass sie auf großartigste Weise alles stützt und mitbegleitet. An meine Lektoren. An meine Mutter, die das Buch bestimmt zehn Mal als „Sonderlektorin“ kritisch durchforstet hat und irgendwann sogar aufgegeben hat, mir die Fäkalsprache auszureden. An meine gesamte Familie. An Johannes zum Winkel, der dafür verantwortlich ist, dass ich den Wandel überhaupt angehen konnte. Ihm habe ich es zu verdanken, dass es wieder aufwärts ging. An Fenia, die mir mit einigem Einsatz das Mauer-Cover ausgeredet hat, als ich einfach nicht mehr weitersuchen wollte. An Stefan Wendel für die tolle Begleitung und dafür, dass er mir das Schneecover ausgeredet hat 😉 An Martin für das krass-gute Cover, das es am Ende geworden ist. An Leser wie Peter, die seit vielen Monaten den Zug mit anschieben und an mich glauben. An Elsyseo, Elenor. An den Schwaben Matthias, Jill, Crisi, Alex, Benjamin und die gesamte #BartBroAuthors-Bande.

Dank Euch allen!!

 

2 Comments on “Labyrinthe und das Auto, das mit zu vielen Litern fährt

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