Der letzte Tag des Jahres hat mir Corona geschenkt und noch sind die Schnelltests positiv, aber es geht schon viel besser. Die Quarantäne hat in ihrem Totalstillstand komischerweise viel in mir bewegt. Dabei war es nicht die Sorge um das eigene Wohl, sondern etwas, das ich selbst nicht genau verstehe, was viel in mir umgekrempelt hat. Am Anfang habe ich schon mit anderem Blick auf die Corona-Statistiken geguckt und daran gedacht, dass ich einen potentiell tödlichen Virus in mir habe. Die Symptome waren auch ziemlich stark, aber ich bin drei Mal geimpft, es war klar, dass mir Krankenhaus und das alles erspart bleiben würde.
Was das genau ist, was sich in mir bewegt hat, ist nicht so leicht zu beschreiben, vor allem hier nicht, weil ich immer noch darüber nachdenke, was ich hier überhaupt schreiben möchte. Neben allem Zeitstress und der Überforderung, die das Leben mir in den letzten 5 Jahren recht stetig eingeschenkt hat, waren es diese Überlegungen, für wen ich schreibe und was ich überhaupt preisgeben möchte von mir, dem Schreiben und allen sonstigen Gedanken, die mich weitgehend haben verstummen lassen.
In den letzten Jahren habe ich neben aller Kurzatmigkeit viel für mich bewegt und aufgeräumt. Neben Grundsätzlichem habe ich wieder Musik gemacht und irgendwann angefangen, bei den Technik-Übungen an der Gitarre das ganze Lebens- und Produktivitätsyoutube rauf und runter zu gucken. Ich habe mein Art zu arbeiten und zu leben dabei überdacht und tatsächlich ganz viel verändert und optimiert. Neben vielen anderen „privaten“ Dingen habe ich Tippen mit zehn Fingern gelernt, Schnelllesen, Mnemotechniken und einiges anderes, was ich hier schon bei den letzten Beiträgen angedeutet habe.

Einer der youtube-Beiträge, die in den letzten Wochen viel Resonanz in mir ausgelöst haben, war dieser:

Die ungelöste Frage der letzten Jahrzehnte war auch bei mir, warum man der ist, der man ist. Warum man so vieles ändert und sich wie bescheuert gegen gewisse Muster und Tragiken stemmt und am Ende des Tages trotz aller Erfolge und Errungenschaften so wenig erreicht; warum man immer auch im Angesicht der zum Teil irrsinnig großen Anstrengungen, Dinge zu verändern, der bleibt, als der man losgelaufen ist und (bei mir) auch zuverlässig auf die gleiche Weise scheitert und wie lustvoll krachend und überreflektiert gegen die gleichen Mauern läuft.

Man kann sich darüber nun stundenlang auslassen und in (küchen-) psychologischen oder gar philosophischen Wassern fischen, man bleibt damit in genau den gleichen Mustern gefangen und ändert nichts. Gute Vorsätze, Checklisten, positive Affirmationen und das größte und leidenschaftlichste sich-dagegen-stemmen ändern an sich im Großen wohl nicht das Geringste. Man kann es vom Stil her anders fahren, mehr lächeln, ein angenehmerer Mensch sein und viel schneller aufstehen, um noch stoischer gegen die nächste Wand zu rennen, im buchstäblichen Kern ändert man nichts. Man kann gar nichts ändern, weil man nie auch nur annähernd zu ihm durchgedrungen ist.
Tatsächlich war der Ansatz, dass das alles sehr komplex und unglaublich viel mit dem eigenen Wesenskern zu tun haben muss, zwar nahelegend aber dennoch grundfalsch. Man kann sich diesen Dingen nie ganz sicher sein, aber ich glaube immer mehr, dass wir auch deswegen oft an diese Muster nicht herankommen und auch nicht herankommen wollen, weil sie nicht mystisch und erweckend sondern unglaublich banal sind. Man sucht nach Schicksal und Sinn und irgendeiner Erfüllung, man kämpft gegen Windmühlen, bis man ihnen doch noch die Kapitulation und die dringend benötigte Selbstbstätigung entlockt, aber sie bleiben stumm und man hat auch deswegen keine Chance, Ihnen irgendetwas zu entlocken, weil man in diesen Kämpfen nach etwas eigenem und vor allem nach plausiblen Gründen für die Kurven, Berge und Täler seines Lebens sucht. Die Windmühlen sind aber nur Pappkameraden der eigenen Hirngspinste und die gesuchten Gründe für die Selbsterläuterung könnten nichts erklären, wenigstens nicht dann, wenn man sich von ihnen wirkliche Erklärungen und den Bezug zu irgendwelchen Ursprüngen erhofft, die man nur entwirren müsste, um zu sich und zu einem endlich ganz selbst bestimmten und erfüllten Leben zu finden.

Die modernen Denkweisen und die moderne Kommunikationstheorie hat sich von derart linear- und monokausalen Erklärungsweisen längst verabschiedet und man weiß das als aufgeklärter Mensch auch, schafft es aber immer wieder ganz großartig, daran vorbeizuleben. Beziehungsschwierigkeiten haben nicht den einen Grund in irgendeiner kleinen oder großen Verfehlung, die zu korrigieren wäre, sondern sind nach Watzlawick oft nur ein „Spiel ohne Ende“, in denen Kommunikationsmuster sich selbst bestätigen und Streitigkeiten und Beschwerden oft gar keinen realen Gegenstand mehr haben, den es zu klären gäbe, sondern Teil einer Folklore sind, die unlösbar ist, bis man aus ihr heraustritt und neu anfängt.
Dabei ist sicherlich die Trennung nicht der einzige Weg, neu anzufangen, aber das andere ist ungleich schwieriger. Solange wir leben, projizieren wir und es ist schwierig, sich von den eigenen Projektionsmustern zu lösen; und erst Recht ist es schwierig, sich von dem zu lösen, was man möglicherweise jahrelang auf den Partner projiziert hat, ohne den Eigenanteil zu erkennen. Die eigenen Verwicklung zu erkennen und jegliche Ansprüche darauf, (wenigstens in substantiellen Teilen) Recht zu bekommen, ist oft nicht möglich. Es ist viel leichter, mit einem anderen ein neues Spiel zu versuchen, um im besten Fall nicht mehr die gleichen Fehler zu repetieren und einen besseren Weg zu gehen.

Bei der Beziehung zu einem selbst, versuchen wir auch immer wieder, uns neu zu denken, um auf ähnlich Weise als anderer neu anzufangen und scheitern, weil wir uns selbst und den anderen nur bedingt etwas vorgaukeln können. Wir können uns von den Kämpfen und Unzulänglichkeiten nicht wirklich lösen und unser eigenes Wirken dabei anerkennen, wir versuchen sie nur auf andere Weise zu gewinnen; am besten mit noch klareren Siegen und einer noch größeren Belohnung, weil es ja der xte Anlauf ist und man noch mehr Anstrenungen aufgewendet hat, um ins Reine zu kommen. Das soll doch bitteschön einen Sinn haben und einen verdienten Lohn bekommen.

Man kann sich, glaube ich, nur davor retten und es wirklich gut machen, indem man sich davon löst, nach irgendwelchen kindlichen Prägungen oder tragischen Verwicklungen zu suchen, die einem das Potential abgegraben haben. Die gibt es sicherlich, aber sie liegen ganz lange zurück. Tatsächlich hat man bis zum Alter von sieben Jahren wohl wirklich ohne die Möglichkeit der kritischen Reflektion alles in sich aufgenommen, was das Umfeld einem eingeprägt hat. Bis man die Möglichkeit bekommt, darüber nachzudenken, ist es tief in uns eingeworben, und verborgen und verbreitet genug, um weiter im Verborgenen zu wirken.
Schon in dem Alter wurden wir auf diese Spur gesetzt und hatten in gewisser Weise keine andere Chance, trotzdem ist das nicht das Entscheidende und in keinem Fall der Punkt, an dem man ansetzen muss und kann. Die Wand, gegen die man in sich immer wieder läuft, ist nicht dieses, sondern das, was die Jahre daraus gemacht haben. Das ist mir und allen natürlich klar, und es wirkt so gesehen noch komplexer und heilloser, dabei ist es glaube ich wirklich trivial.

Wir alle wissen, wie machtvoll unser Unterbewusstsein allgemein und vor allem bei diesen Dingen ist. Man denkt als Folge dieser Macht, dass man da nicht rankommt, erst recht nicht ohne magischen Schlüssel der Selbsterkenntnis, der einem das Tor zu den dunklen und ursprünglichen Wahrheiten aufschließt, die in einem nicht schlummern, sondern immer wieder diese Hebel drücken, die viele der bewussten Pläne und Vorsätze zunichte machen.
So eine Ehrfurcht ist aber genau das Falsche. Das Unterbewusstsein ist tatsächlich unzugänglich und deswegen so machtvoll, weil es immer empfängt und sendet, sogar und ganz besonders im Schlaf. Es ist aber keine magische Entität, die einen nach den besten Weisheiten fragt und nichts preisgibt, wenn man die falschen darbietet, sondern eine Art Kassettenrekorder, der zu uralten Mustern Verbindung hält, aber hauptsächlich, stumpf und wertfrei das aufzeichnet (und dann wiederum sendet), was wir in uns in ihn absinken lassen. Unsere Eltern, die Entwicklung, all das hat zu unserer Verkorkstheit dazu beigetragen, aber die Stimme, die letzendlich alles eingesprochen hat, waren wir selbst. Und ähnlich wie beim Spiel ohne Ende in Beziehungen ist es die eine Sache, was wirklich Auslöser war (Trauma, was auch immer), die andere aber das, was wir daraus gemacht haben. Ein tragisches Ereignis passiert einmal, was es aber so machtvoll macht, sind die 20 Jahre Einsprechungen, die wir gegen uns selbst daraufhin leisten. Das gilt für Traumata und alle anderen Dinge, die wir denken zu sein und zu können, die wir uns zutrauen und die wir fürchten. Unser ganzes Bild von uns selbst entsteht bei dieser Art verborgener Einbahnstraßenkommunikation in beide Richtungen. Wir sprechen es immer wieder ein und es rieselt auf anderen Kanälen zurück. Wir können uns morgens mit den besten positiven Affirmationen vor den Spiegel stellen, sie werden nichts ändern können, wenn wir nicht die Art ändern, wie wir über uns denken und in uns einlagern. Wie es im Video gesagt wird, wird die Art, wie andere über uns denken, in gewisser Weise limitiert durch die Gedanken, die wir uns selbst entgegenstellen. Wir sind dann wirklich die Ameisen, die schön unseren Blick auf den „magnetischen Norden“ richten und losstapfen, dabei aber auf einem Elefanten sitzen, der nach Süden rennt.

Das wichtigste bei dem Elefanten ist nun, dass man ihn nicht zügeln und besiegen kann und muss. Das ist auch deswegen so, weil dieser Elefant nicht diejenigen Menschen und Ereignisse repräsentiert, an denen wir uns im Verborgenen immer wieder abarbeiten; der Elefant sind wir zu 100 % selbst. Er ist nichts als eine Verzerrung der Wirklichkeit. Er kann gar nichts anderes sein, weil er nur von uns modelliert wurde und genau deswegen ist er der grundfalsche Ort für Veränderungen, obwohl er wie der Quell allen Übels wirkt. Wir können ihn nicht ändern, indem wir zu den Erklärungen vordringen, warum er so machtvoll geworden ist, sondern müssen stattdessen die Muster brechen und ganz losgelöst von der Vergangenheit damit aufhören, so etwas zu tun, was wir all die Jahre gemacht haben, um einen anderen Umgang mit uns selbst zu pflegen, der damit beginnt, dass man sich selbst andere Geschichten erzählt. Das entmystifiziert vieles und ist am Anfang vielleicht enttäuschend, weil man kein Mea Culpa vom Universum oder einen erfüllenden Sinn geliefert bekommt, für die Dinge, die falsch gelaufen sind. Auf der anderen Seite zeigt die Erkenntnis, dass wir uns das alles selbst eingebrockt haben, wie machtvoll wir sind. Weil wir selbst alles verbockt haben, können wir auch alles ändern. Alles, was wir uns glaubhaft einreden können, können wir erreichen, wenn wir es nur auf die richtige Weise angehen. Und diese richtige Weise beginnt damit, dass man zu sehen lernt, was alles gut ist und funktioniert und sich daran ausrichtet. Nur daran. Immer wieder.

Schwebe ich nun erleuchtet durchs Zimmer? Nein, es ist ein Prozess, der es einem aber angesichts der Banalisierung dieser Dinge leichter macht, Dinge besser zu machen. Ich habe erwähnt, dass ich viel Gitarre gespielt und unzählige Knoten für mich durchgehauen habe. Es war erfüllend und gut für mich, weil ich so viele Hürden gemeistert und viel über mich glernt habe und viel Freude daran hatte. Ich habe schon mit 15 erkannt, dass Musik und Üben für mich auch Zen sind, der mich zur Ruhe bringt, nun sind sie es auf viel bessere Weise für mich geworden. Ich habe dadurch wieder zu mir gefunden. Wenn ich mir aber nun vorgestellt habe, jemand anders hört mir zu (oder jemand anderes hat mir tatsächlich zugehört), dann habe ich mich wieder gefühlt, als könnte ich nichts. Der Elefant ist gelaufen, Gehirn und Körper haben zugemacht, die Angst hat regiert. Eine Angst, die wie gesagt nicht nach einer mystischen Erklärung oder nach einem Sinn verlangt, sondern die ich nur aus bestimmten Gründen, die natürlich mit Umfeld und Veranlagung zu tun haben, in mir kultiviert habe. Sie ist da, man kann sie nicht kurz mal wegaffirmieren oder mit Erkenntnis auftrumpfen. Erkenntnisse und Feinsinnigkeiten interessieren diesen Elefanten nicht für drei Pfenning, man muss sich ihm mit Geduld und der gleichen Konsequenz stellen, mit der man ihn über Jahrzehnte gefüttert hat. Und vor allem anderem saugt der Elefant Angst auf wie süßen Zucker, auch das macht ihn so machtvoll. Man muss sich diesen Ängsten kompromisslos stellen, um sie abzuschwächen, einen anderen Weg gibt es nicht.

Der Gamechanger war also nicht der magische Zugang zu einer Erkenntnis, sondern die Standfestigkeit, die ohne Attitüde ist und auch keine Belohung möchte, um durch die Hintertür dem Elefanten doch noch eine schnelle Niederlage beizubringen. Der Elefant ist viel machtvoller und stumpfer als wir. Er ist Millionen Jahre als und wird immer stärker sein, als unsere Gedanken, aber man kann ihn dazu bringen, in die richtige Richtung zu rennen, indem man ihm Tag für Tag die richtigen Gedanken, Impulse und Geschichten liefert. Es gibt nichts zu verlieren. Wenn man sich wegdreht und die Angst siegen lässt, verliert man immer. Sie landet in vollem Umfang im Elefantentrog. Wenn man sich ihr stellt, gewinnt man immer, jeden Tag ein kleines Stück.
In diesem Sinne war es für mich ein erweckender Moment, diesen Moment der Angst als Wert und Auftrag anzusehen, den man mit Neugierde und Gestaltungswillen immer wieder (in gesunden Dosen) herbeiführt, um aus ihm zu lernen und ihn mit konstruktiven Impulsen zu belegen. Wir alle haben Angst vor Niederlagen und Versagen, ich noch zehn mal mehr als die meisten anderen, aber auch das, auf das sich die Angst richtet, ist ein Versagen vor den eigenen Windmühlen und nichts, was wirklich real ist. In einem anderen youtube-Video kam als Kernsatz „Failure is Feedback“ heraus und so ist es. Aus jeder Angst, aus jeder Schwierigkeit kann unglaublich viel gelernt werden, viel mehr, als aus Dingen, die einfach gelingen. Solange man es sich zutraut, zu lernen, und sich seiner Angst stellt, wird man es schaffen und solange man auch abseits davon dem Elefanten eintrichtert, dass man es immer wieder schaffen wird, wenn man das Spiel so annimmt, dann wird er nach und nach genau in die Richtung laufen, die man braucht. Dann wirkt diese archaische Kraft auf einmal für einen und spült einem um die Mauern herum, anstatt einen gegen sie zu drücken.

Der Kernbedarf dafür ist es wohl, nicht mehr zurück zu schauen. Nie mehr. Uns nie mehr rückwirkend zu messen und alles „Was wäre wenn?“ ganzheitlich und für immer sein zu lassen. Das ist wieder trivial und so schwierig. In der Vergangenheit gibt es buchstäblich nichts mehr zu gewinnen, das wissen wir alle, trotzdem können wir ganz oft nicht anders, als in ihr herumzuwühlen. Lassen wir es so gut sein, wie wir können, und gehen nach vorne, dann wird uns ganz viel gelingen. Wie müssen es nur wirklich machen, ohne Ultimatum und die Hoffnung auf magischer Erfüllung von Dingen, die in Bezug auf Gegenwart und Zukunft nie Teil des Deals waren. So let´s ride the elephant 😉

P.S. Ach ja, was hat das jetzt mit Quarantäne zu tun? Viel und wenig. Dinge wirken immer in uns, die wir wie ein Puzzle in uns angelegt haben und die irgendwann einfach einen Sinn ergeben und aufgehen. Für mich war es in diesem Sinne total heilsam, keinen oder fast keinen Kontakt mit der Außenwelt zu haben und ganz und gar auf mich selbst zurückgeworfen zu sein. In gewisser Weise sind wir das ja am Ende des Tages immer, aber die äußeren Muster überlagern so vieles und eine der Komplexitäten des Lebens ist es, dass wir von ihnen oft überschwemmt werden und uns nicht (sofort) davon lösen können. Wieder aber sind wir die, die dem Elefanten das so übergeben, nicht die anderen, nicht das Leben und nicht der blöde Job oder was auch immer. Wir müssen uns dazu zwingen, uns von den Dingen zu lösen, die nicht wir selbst sind, und immer wieder Abstand gewinnen, damit der Elefant davon nichts abbekommt. Wir sind die einzigen, die uns selbst ins Reine bringen können, obwohl es nur allzu menschlich ist, das an andere zu delegieren, ist auch das wieder das falsche Futter für die Dickhäuter in uns. Quarantäne ist in diesem Fall ein gutes Bild für ein Gesunden an sich und in gewisser Weise ein zu erstrebender Wert, den man auch ohne Corona realisieren kann und muss. Jeden Tag aufs Neue.

P.P.S. Und was hat das mit Schreiben zu tun? Vamos a ver, auch da gibt es einige Elefanten zu reiten … Bis Bald!