Feierabend

Es ist so viel passiert seit dem letzten Eintrag. So viel und so wenig. So viel, dass ich unglaublich dankbar bin für die weiterhin sehr guten Reaktionen und die vielen Dinge, die wunderbar funktioniert haben. So wenig, dass meine Eltern oder andere sorgende Menschen besser an dieser Stelle die Lektüre abbrechen sollten.

Ich habe es an dieser und an anderer Stelle geschrieben. Die Rechnung in Bezug auf das Buch ist voll aufgegangen. Die Leute haben im Vorfeld gesagt, #NächtederToten sei zu komplex und zu schwer, um von vielen gelesen zu werden. Es könne niemals oben schwimmen, egal, wie man es verpackt oder in welchem Segment man es positioniert. Die Leute wollten nur unterhalten werden und beim Lesen nicht nachdenken oder sich anstrengen müssen. Ich würde es zwar verdient haben, gelesen zu werden, würde aber glatt durchs Raster fallen.

Mir war klar, dass die Befürchtungen einige Berechtigungen haben, aber ich habe gehofft, dass die Qualität des Buches trotzdem den Knoten durchhaut. Kurz nach dem Release war es sehr spannend und überaus zehrend. Der Titel hat nicht funktioniert, ich war auf einem Irrweg und musste hart umsteuern, aber dann hat ging es sehr gut. Die Leute haben anfangs ein bisschen gestöhnt, einige wollten sogar die Lektüre abbrechen, weil die Metropolis-Welt so vielschichtig ist und es so viele Charaktere gibt etc., schafften es aber nicht, weil das Buch so spannend und spektakulär war und man unbedingt wissen wollte, wie es weiter geht. Viele Leser ließ #NächtederToten am Ende nicht nur begeistert, sondern auch sprachlos zurück.

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Einige Leserstimmen:

»Man bleibt am Ende sprachlos zurück und möchte eigentlich nur Eines: Weiterlesen.«

»Düster, geheimnisvoll und so spannend, dass man schon beinahe selbst paranoid wird!«

»Ein rundum gelungener Thriller, der mir spannende Lesestunden beschert hat. Wirklich zu empfehlen!«

»Man wird fortgerissen in einem Strudel aus Gewalt, Kopfkino und Ermittlungsarbeiten!«

»Spannend, in meisterhafter Sprache geschrieben.« »Ein Muss für Thriller-Fans!«

Diese Rechnung ist aufgegangen, eine andere hat komplett versagt. Das Buch wurde gekauft, die Kosten haben aber alles so sehr erdrückt, dass ich seit drei Monaten nur mit Ach und Krach einige der essentiellen Dinge des alltäglichen Lebens bezahlen kann. Ich schiebe derzeit so viele Überstunden im „Brotjob“, wie ich kann, aber es wird lange dauern und unglaublich viel Anstrengungen kosten, bis ich finanzielle wieder ins Lot komme.

Das wäre an sich nicht so schlimm, das passiert eben manchmal, aber spätestens wenn ich die Schulden auf ein erträgliches Maß reduziert haben werde, käme das neue Buch mit neuen Rechnungen, die ich dann erst Recht nicht bezahlen kann. Ohne Puffer in so ein Projekt zu gehen, bedeutet Schulden von Tag 1 und das ist aus vielen Gründen suboptimal.  Und ich weiß nicht, ob es als junger Vater dann eine gute Idee ist, noch einmal euphorisch an der Schuldenschraube zu drehen.

Man redet nicht gerne über Geld, über Armut erst Recht nicht, und ein Autor, der sich bei seinen Lesern indirekt über mangelnden (finanziellen) Erfolg beschwert, ist armselig und disqualifiziert sich selbst. Ich habe lange überlegt ob ich mich in dieser Form „outen“ soll, aber letztendlich ist das Ungleichgewicht so krass, dass es ein „weiter so“ nicht geben kann. Ich muss etwas ändern, daher ist es relevant. Leider relevanter als die Frage, ob mein neues Manuskript zu Hamburg Metropolis gut genug ist und was es daran noch zu verbessern gibt. So gerne ich mich jetzt nach Wochen des Marketings endlich wieder nur auf solche Frage stürzen und die Autorenseele etwas balsamieren würde, es wäre verantwortungslos, sich dem wirtschaftlichen Desaster nicht zu stellen. Und auch für die Arbeit am Text, an der Literatur, brauche ich Zeit, die ich mir gerade nur durch große Kraftanstrengungen und in homöopathischen Dosen leisten kann.

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Ich schreibe das, weil ich, abseits des Prinzips Hoffnung (und warum auch immer explodierenden Verkäufen), nicht weiß, wie es anders gehen soll. Ich habe im letzten Monat auch die Rohfassung von Teil III geschrieben, knapp 130.000 Wörter in vier Wochen und das neben Arbeit und Alltag (dass oben nur 100.000 stehen, hat andere Gründe, ich habe mich schlicht verzählt). Ich arbeite schnell und effektiv. Auch wenn man einrechnet, dass andere Bücher nicht so eine Herausforderung darstellen wie meine, weiß ich nicht, wie man nicht Jahre oder zumindest viele Monate an der reifen (!) Fertigstellung eines Buches arbeiten soll. Man muss Dienstleister einbinden, um professionell zu arbeiten und muss sie bezahlen, damit sie gute Arbeit abliefern und motiviert sind. Selbst wenn ich mir selbst keinen einzigen Cent für die jahrelange eigene (professionelle und visionäre) Arbeit auszahle, wachsen die Kosten auf ein Maß, dass nur nachhaltigere (Nischen-) Bestseller in ein vernünftiges Maß zurechtrücken und Erfolg lässt nicht verplanen, er sträubt sich mit Recht dagegen.

Es ist ein kleiner Teufelskreis. Je professioneller man das Projekt bestreibt, desto mehr arbeitet man unter Hobbybedingungen, weil man notwendig mit anderen Sachen mehr Geld verdienen muss, um wenigstens seine Dienstleister zu bezahlen. Und im besten Fall auch Miete und Krankenkasse.

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In den letzten Wochen ist wieder einmal eine Diskussion gegen Promotionspreise entbrannt. Der Autor soll sich nicht unter Wert verkaufen und „selbstbewusster“ sein. Ich weiß, was damit gemeint ist und finde die Gedanken ehrenwert, aber aus Sicht des sich hoch kämpfenden Autors sind sie mindestens anteilig Mist. Nur der Promotionspreis hat mir die Möglichkeit gegeben, die Verkäufe signifikant anzukurbeln und überhaupt stattzufinden. Ich hätte viel weniger verdient, wenn ich das nicht gemacht hätte, obwohl es im ersten Moment wie ein Verramschung wirkt. Der Unterschied wäre gewesen, dass ich im anderen Fall viel weniger Leser gefunden hätte. Ehrenvolle Gedanken sind schön. Wenn man so viel Leidenschaft, Zeit und Geld in ein Projekt steckt, kann man mit einigem Recht fordern, dass man sich nicht unter Wert verkaufen soll. Man könnte aber auch sagen, dass man gerade dann unter dem Zwang steht, den Markt wenigstens so bespielen zu können, dass man wahrgenommen und gelesen wird. Ich tendiere immer noch zum zweiten Ansatz, denn ich glaube nicht nur an die Qualität meiner Bücher, sie haben auch eine Botschaft und die entfaltet sich nicht, wenn das Buch im (Amazon-)Regal verstaubt.

Gebe ich also auf? Ganz bestimmt nicht. Ich kann nicht anders und habe an anderer Stelle bewiesen bekommen, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Muss ich einfach weitermachen? Nur durchhalten? Vielleicht wäre das wünschenswert, aber die Ressourcen geben es nicht her.

Ich muss also einiges anderes machen. Der nächste Teil geht nach Hamburg, was bedeutet, dass Illustrationen bei den dortigen Gehältern ohnehin unbezahlbar sein werden. Ich werde mich nach einem Mäzen umsehen müssen oder eben keine Illustrationen haben. Es fühlt sich nicht gut an, mit der Linie zu brechen, aber alles hat seine guten Seiten. Die Illustrationen waren nicht nur teuer, sie haben auch weitere Stunden und viel Energie gekostet und mir Kritik von denen eingebracht, die eine Welt nicht vorgesetzt bekommen sondern sie sich selbst ausmalen wollen, sondern sie selbst erschaffen wollen. (Falls der Einwand kommt: Vergesst Crowdfunding. Die Zeit, die ich dafür einsetzen muss, kann ich auch arbeiten gehen und bekomme wahrscheinlich mehr Geld zusammen.)

Ein Freund hat vor ein paar Tagen gepostet:

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Solche Dinge begleiten mich schon ein Leben lang. Leute, die gesagt haben, was alles nicht klappen kann an den spinnerten Plänen und man selbst, der einsam dagegenhält. Mein Vater war der größte Mahner, auf dem Boden zu bleiben und nicht zu träumen, aber das passte nur bedingt zu einem Geschichtenkopf wie meinem. Träume sind Fantasie, beides braucht man für das, was ich tue.

Ich werde in den nächsten Tagen selbst Vater. Manche werden sagen, dass man sich gewisse Träume nicht mehr leisten kann, wenn es diese Veränderung gibt. Ich will nicht, dass mein Sohn einen Vater bekommt, der ohne Träume durchs Leben geht. Peter Pan auf einem schmalen Grat.

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Das war der Text, den ich vor drei Tagen in der S-Bahn zur Arbeit geschrieben habe, wieder auf der Fahrt von Spindlersfeld nach Hermannstraße. Ich habe ihn nicht gepostet, weil er zu weinerlich war und keine Lösung bereithielt. Drei Tage später spüre ich die Härten immer noch und merke, dass es ein wichtiges Resultat ist, dass ich keine Lösung habe. Vielleicht lässt sich diese leichter finden, wenn ich erstmal deutlicher zugebe, wie ratlos ich manchmal gerade bin.

Ich habe tagelang den Text immer wieder hervorgeholt und ihn mal angemessen und mal bescheuert gefunden. Er war passend aber so wenig lösungsorientiert. Ich wollte positiver denken, musste aber immer wieder einsehen, dass ich nicht lösungsorientiert sein kann, weil ich keine Lösung habe. Es ist schwierig, ohne Verlagsboost mit solchen anspruchsvollen Büchern erfolgreich zu sein. Aber das ist nicht das entscheidende. Ohne Stipendien und Vorschüsse ist es schwierig, auf hohem Niveau solche Bücher überhaupt erst zu produzieren und nebenbei noch alle Marktmechanismen so gut zu verstehen und in Maßnahmen umzusetzen, dass das Buch nicht allein wegen seiner Verpackung durchfällt und es nie zu den Lesern schafft.

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Es ist ein Drahtseilakt. Man weiß nicht einmal, was man mit diesen Gedanken anfangen soll. Sie sind weder besonders romantisch noch spannend, aber sie erdrücken einen. Gestern habe ich mit dem Freund getrunken, der das Zitat mit den Lebenskosten gebracht hat. Er beginnt nun, als Maler so richtig Erfolg zu haben. Er meinte irgendwann, dass es gut ist, dass wir beide es schwer haben, dann weiß man Erfolg besser zu schätzen, wenn er sich tatsächlich mal etwas deutlicher einstellt..

Man sollte am besten gleich damit anfangen, alles mehr zu schätzen. Aus Syrien erreichen uns jeden Tag furchtbare Bilder. Es kits ein Geschenk, nicht dort zu sein und im Grunde keinen echten Sorgen zu haben. Der Abstand, von dem ich sprach, war zudem auch abseits von Einsichten und Lösungen wunderbar.

Alles ist auf dem Weg und der ist auch noch das Ziel. Alles wird gut. Es ist wahrscheinlich das normalste der Welt, dass man sich das manchmal selbst nicht glaubt. Aber morgen ist ein neuer Tag und ein Blick nach Syrien reicht, um über das Ausmaß meines „Problems“ zu lächeln. Es ist bald Weihnachten, ein Teil der Welt liegt in Trümmern und ich bekomme so viel Unterstützung von meiner tollen Freundin, aus meinem Umfeld und letztendlich auch vom “Schicksal“, dass ein schlichter Dank dafür wahrscheinlich der bessere Artikel gewesen wäre. So kommt man nicht aus den Schulden heraus, aber ich falle eh weich. Wir alle in diesem Land tun das.

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