Hurricane

Ich habe es schon einmal erwähnt. Wenn es Kritik an diesem Blog gibt, dann bezieht sich diese meistens darauf, dass ich mich als Person oder als Mensch nicht zeige. Dass es in den Beiträgen nur um die Geschichten, die Bilder und all das Drumherum geht und nicht um den Autoren selbst. Wie es ihm geht, wer er ist und was ihn umtreibt. Vielleicht ist heute der Tag, an dem es etwas persönlicher zugehen muss.

In meinem Leben hat sich eine wichtige Sache geändert. Meine Freundin hat mich verlassen. Damit ist ein wichtiger Mensch für mich und meine Bücher nicht mehr an meiner Seite. In gewisser Weise ist sie sogar verantwortlich dafür, dass ich die Reihe überhaupt gestartet habe. Ich war damals Chefredakteur eines kleinen Magazins und hatte in 13 Monaten den kompletten Relaunch des Blattes betreut und war dabei bis an meine Grenzen gegangen. Ich musste immer wieder für notwendige Veränderungen kämpfen. Es gab viele interne Rangeleien, ich war dem Herausgeber schon lange nicht mehr grün und zu eigensinnig. Der Relaunch war sehr erfolgreich, aber wir hatten uns aneinander abgearbeitet. Er wollte mich ablösen, musste aber warten, bis meine Stellvertreterin so viel von mir gelernt hatte, dass er mich ohne Risiko feuern konnte.

Mir wurde vorgeworfen, dass ich viele Dinge an mich gerissen und zu viel alleine gemacht hatte. Ich sollte schrittweise Aufgaben abgeben, aber in vielen Belangen ging es nicht anders. Auch objektiv gesehen waren fast alle Kämpfe notwendig gewesen. Ich hatte die Sachen zudem nicht alle an mich gerissen, weil mein Ego das brauchte, sondern weil irgendwer diese Dinge gut machen musste. Es gab viel Streit, der Zeit- und Leistungsdruck wurde mit jeder weiteren Kapriole noch größer, die persönlichen Beziehungen belasteter und belastender. Ich bin bis an meine Grenzen und darüber hinaus gegangen. In manchen Nächten habe ich mich vom Bett irgendwann aufs Sofa geflüchtet und 1-2 Bier gestürzt, um so vielleicht abschalten und irgendwann doch schlafen zu können.

Meine Freundin musste damals viel aushalten. Sie war die Ausgleichzone, in die notwendig viel Dampf entweichen musste. An einem der wenigen freien Tage musste ich mich beim Spaziergang im Park an ihr festhalten, weil die Beine mich auf einmal nicht mehr tragen wollten. Wieder war es sie, die mich stützen musste. Irgendwann empfing ich mit fast 40 Grad Fieber und noch mehr am Ende meiner Kraft die neue Ausgabe und schleppte die 4000 260 Seiten-Kopien selbst in den Vertriebskeller. Wenn niemand anderes da ist, der Dinge erledigen kann, ist eine Krankmeldung nur eine Mail. The show must go on.

Ich ging nach Hause und telefonierte mit meiner Freundin. Ich erzählte ihr, wie es mir ging und dass ich am nächsten Tag eigentlich auch zur Arbeit gehen müsste. Sie kam sofort vorbei und meinte, dass ich das Konzept von krank sein nicht einmal im Ansatz verstanden hätte. Sie schickte mich ins Bett und bewachte es fortan. Sie ging in die Küche, um mir Suppe zu kochen. Mir wurde nur noch gestattet, das Bett zu verlassen, um auf die Toilette zu gehen. Es fühlte sich erst komisch an, weil ich die Unruhe nicht besiegen konnte. Irgendwann wurde es warm und schön. Ein seltsamer Frieden stellte sich ein. Ich kannte diese Gefühl der Ruhe nach dem Hurrikan aus anderen Jobeskalationen, aber niemals war es so schön und klärend gewesen. Irgendwann nahm ich, halb in den Fiebertraum  abgeglitten, den Rechner vom Nachttisch und schrieb das erste Kapitel von »Berlin Metropolis«. Die ganzen Wochen hatte ich Ideen im Kopf, aber keine Minute gehabt, um irgendetwas damit anfangen zu können. Nun ging es wie von selbst. Wenig später kam es bei der Arbeit zur finalen Eskalation und ich veränderte mein Leben so, dass ich mehr Zeit zum Schreiben finden konnte. Ich hatte eine wichtige Lektion gelernt.

Es mag bescheuert wirken, aber ohne sie hätte ich es nicht geschafft, in diesem Bett zu bleiben und einfach mal krank zu sein. Ohne sie hätte ich nicht die Ruhe gehabt, diese große Sache zu beginnen. Ohne sie hätte ich viele andere Sachen nicht ausgehalten. Und nun stehen wir beide da und sie kann nichts mehr puffern oder mittragen. Viele Dinge waren für mich nötig, für sie in der Summe aber zu bescheuert, dass es weiter gut werden soll.

Ich muss also alleine weiter gehen. Ich habe davor schon Bücher geschrieben, trotzdem fühlt es sich komisch an. Ich werde meinen ganzen Fokus auf die Veröffentlichung von Teil 2 legen und Teil 3 schreiben. Ich werde alleine bescheuerte Dinge gut werden lassen müssen und freue mich darauf, auch wenn Tage wie dieser ein Kampf sein müssen. Heute kann einiges nur bescheuert sein, dieser Tag schmeckt auch mit Sonne grau. Aber morgen kommt ja noch einer.