Höhenmeter

Weiterhin bleibt keine Zeit, für große Sprünge auf diesem Blog, aber ich möchte euch wenigstens einen kleinen Einblick in meine Werkstatt für Schreiben und Leben geben. Seit dem letzten Beitrag habe ich viele Stunden den hinteren Teil meines neuen Thrillers umgeplotet/umgestellt und an den Stellen vorne gefeilt. Ich habe immer noch hin und wieder den Drang verspürt, schneller weiter zu kommen und mir deutlicher vor Augen halten, dass das Licht am Ende des Tunnels nahe und kein Irrlicht ist, um dann doch wie besessen tiefer in den Charakteren und der Geschichte zu graben. Ergebnis waren noch mehr verrückte Wendungen und Verbindungen zwischen den Figuren. Zwischendrin hatte ich immer wieder den Verdacht, dass die unvermeidliche Opulenz die Leser an gewisse Grenzen bringen könnten, musste aber immer wieder feststellen, dass das der beste Weg für die Geschichte ist. Verrückt und opulent ist bei diesem Buch konsequent, alles andere würde nicht in dem Maße funktionieren, wie ich es mir wünsche.

Herausgekommen ist eine Mischung aus »Drei Jahrzehnte in der Mafia«, »Große Erwartungen«, »Sieben« und »Saw«. Ihr ahnt, wie viele Zweifel ich in der letzten Zeit notwendigerweise haben musste, ob eine derartige Mischung gelingen kann. Neben aller Ressourcenknappheit und dem Schlafmangel hat auch das an mir gerissen. Mittlerweile schlafe ich ruhig. Es ist in gewisser Weise erzählerischer Hochleistungssport, den ich mir verordnet habe, aber das ist irgendwie genau meine Sache.

Inhaltlich bin ich mir auch sicher, dass die Rechnung aufgehen wird. Wie die Sache wirtschaftlich aussehen wird, ist (wie immer) fraglich. Wenn man eine gute Marge oder eine risikoarme Veröffentlichung anstrebt, ist es sicherlich nicht ratsam, eine solche Kiste aufzumachen, aber ich habe mit den Krokodilstränen auch die (unnötigen) Effizienzgedanken überwunden. Es kann gut sein, dass die Leser einfachere Bücher bevorzugen, oder es ihnen im Zweifel egal ist, dass ein Buch einen viel weiteren Bogen spannt. Es könnte sein, dass es ratsamer gewesen wäre, ein einfaches Buch zu schreiben, weil man mit viel weniger Aufwand das gleiche Ziel oder ein lukrativeres erreicht hätte. Ich habe es versucht, es liegt mir nicht, mich zu verbiegen.

Ich schreibe immer noch in jeder freien Minute, habe aber das Korsett etwas gelockert. Obwohl ich meine Beitrag für die Studios immer noch zahle, habe ich eingesehen, dass Joggen, Yoga und Kung Fu erstmal nicht in den Ablauf passen und angefangen, (zur großen Freude der Nachbarn) das neue Fitnessprogramm meiner Freundin im heimischen Wohnzimmer zu machen (»Ripped in 30«). Nie hätte ich für möglich gehalten, dass ich mal so etwas mache, aber es ist richtig gut. Bewegung ist Freiheit, egal, wo sie passiert.

Der Balkon ist auch bepflanzt und die Hälfte meiner Woche verbringe ich damit, auf Spielplätzen die Rutsche hoch- und wieder herunterzuklettern und meinem Sohn das auszureden, was die Sechsjährigen ihm vormachen. Der Sommer kam hier fast direkt nach dem Winter, es ist friedlich und grün. Es ist Zeit, dankbar für viele Dinge zu sein.

Wenn ich sehe, in welcher Zeit andere Autoren Bücher heraushauen, schnürt es mir noch manchmal die Luft ab, aber sofort stellt sich wieder das Gefühl ein, auf dem Weg zu sein. Schreiben ist nun noch mehr Zen für mich geworden. Ein Weg zu sich selbst, auf dem man fokussiert und (zu Recht) euphorisch in Riesenschritten, die sich bald als Mäusetappser entpuppen, in Richtung »Meisterschaft« strebt.

Schon auf der Uni habe ich gelernt, dass man immer dann etwas lernt, wenn es bergauf geht. Darauf kann man gut verzichten, wenn man vorankommen will, aber es ist genau richtig so. Wenn alles leicht geht, passiert nichts. Bei mir ist unglaublich viel passiert und bald werde ich Euch an ein paar Textstellen daran teilhaben lassen.

Einstweilen geht der neue Anfang noch einmal an meinen Lektor und die Testleser. Wenn einer von Euch Interesse hat, abseits den Happen auf diesem Blog, Teile des Romans vorabzulesen, schreibt mir gerne.

Sonne aus Berlin!