Ich bin normalerweise niemand, der – wie Hemingway – in Cafés und Bars schreibt, aber ich bin – wie Hemingway – jemand, der gerne in Bars und Cafés geht und Drinks mag. In der Tat habe ich weite Teile der Metropolis-Reihe sogar dadurch ermöglicht, dass ich nachts in Bars und Clubs gearbeitet und mit Drinks meinen Beitrag zum Kreuzberger »vida loca« geleistet habe. Ein Umstand, der nebenbei bemerkt sogar die Urberliner davon absehen ließ, dass ich ein Zugezogener, also quasi auch nur ein Tourist war. Wer ihnen das Bier zapfte, durfte straffrei alles sein, er hätte sogar aus Schwaben sein können ohne Statuseinbußen zu fürchten. Diese Deutungsfreiheit gewährten sich und mir sogar die Hartgesottenen.
Dass das so kam, war durchaus überraschend. Vorher hatte ich in der O2-Arena nächtelang Stahlträger geschleppt und z. B. die Eishockey-Tribüne für die Eisbären aufgebaut. Es gab nette Momente. Ich mochte die Romantik dieser Nächte. Ich mochte es, um 23.00 Uhr über den Fluss auf dieses laut blinkende Schandei zuzugehen und im Strom der nach Hause eilenden Konzertbesucher zu wissen, dass es für eine Nacht seine (Hinter-) Türen für mich und die anderen Glücksritter aus aller Herren Länder öffnen würde. Ich mochte es, mir den Helm und das Leibchen in Signalfarben überzustülpen und schon in der ersten Pause im großen Metallspiegel der Lagerbereiche zu sehen, dass ich mir – wie in jeder Nacht – das Gesicht mit Schweiß und Ruß schwarz angemalt hatte.
Es war interessant, an die körperlichen Grenzen zu gehen und völlig unistruiert auf dem meterhohen Gerüst herumzuturnen, die Verstrebungen festzustellen und die Platten auf die Eisenstangen zu legen. Die Nächte waren lang und manchmal begannen die Eisbären morgens ihr Training, während wir noch auf dem Gerüst arbeiteten. Ich bin froh, diese Erfahrung gemacht zu haben. Nie hätte ich es für möglich gehalten, welch milchgesichtigen »Schlakse« sich hinter den Polsterungen der Icehockey-Uniform verbergen und auf dem Eis zu Raubeinen werden.
Irgendwann war es aber zu viel mit den Rückenschmerzen und den unfähigen Vorarbeitern, die einen nach 10 Stunden Arbeit morgens um 9.00 Uhr mit schweren Holzplatten in einen Stau an der Plexiglasbande schickten und das nur mit Flüchen quittierten, anstatt für Ordnung zu sorgen. Wir waren nichts als moderne Sklavenlemminge und ich war mir sicher, dass ich bald vom Gerüst herunterfallen würde, weil ich die Arbeit nicht wirklich ernst nahm und generell zu sehr Träumer war, um in acht Meter Höhe müde zu sein.
Ich habe also das Metier gewechselt und fortan in Bars gearbeitet. Es war nicht vorauszusehen, wie viel Spaß ich daran haben würde und wie viel Freude mir Cocktails bereiteten, obwohl sie einen immer in Probleme brachten. Wenn (viele) Cocktailbestellungen kamen und man – wie meistens – alleine arbeitete, gab es todsicher Gläserstau. Trotzdem habe ich die Leute immer zu solchen Bestellungen animiert. Ich war ein lausiger Koch, aber bei Cocktails wurde meine Leidenschaft entfacht.
Ich habe in guten Bars gearbeitet und mich auch privat ein wenig damit beschäftigt. Trotzdem war ich überrascht, als ich gestern im Berliner Lugosi auf die Karte sah. Ich konnte mich gerade noch vom Hauscocktail abbringen, weil ich schon zu betrunken für Absinth zu sein meinte. Stattdessen wählte ich den Seelbach und wählte ein kleine Perle.
Ich habe schon diverse »Spritz-Varationen« probiert und geschätzt, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, Whiskey und Crémont zu kombinieren. Im ersten Angang schmeckte das auch etwas seltsam, aber der Drink ging im Mund quasi in die Breite und entfaltete, katalysiert durch die Bitters, seinen vielschichtigen Geschmack. Es war ein teurer Spaß, aber es war einer. Alle weiteren Beschreibungen überlasse ich der jeweils eigenen Erfahrung, unbedingt probieren.
Hier noch das Rezept von Mixology:
Seelbach Cocktail (adaptiert nach Gary Regan, New Classic Cocktails, 1997)
3 cl Bourbon oder Rye Whiskey
1,5 cl Orangenlikör
7 dashes Angostura Bitters
7 dashes Peychaud‘s Bitters
15 cl Champagner (trocken und eisgekühlt)
Glas: Cocktailschale
Garnitur: Orangenzeste
Zubereitung: Alle Zutaten in das geeiste Gästeglas geben und mit Champagner auffüllen. Orangenzeste über dem Drink abspritzen und in den Drink geben.
http://mixology.eu/klassik/cocktail-seelbach-champagner/
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